facts and fiction gestaltete die Austellung BERLIN GLOBAL im Berliner Humboldt Forum
facts and fiction, eine der führenden Kreativ-Agenturen für Kommunikation im Raum mit Sitz in Köln und Berlin, gestaltet mit BERLIN GLOBAL im Auftrag von Kulturprojekte Berlin eine völlig neue Art der Ausstellung, die gleichzeitig ikonografische Raumerlebnisse schafft als auch innovative digitale Möglichkeiten zur Partizipation für Besucher*innen bietet.
Die Ausstellung BERLIN GLOBAL öffnet heute am 20. Juli in der ersten Etage des Humboldt Forums ihre Türen. Auf 4.000 qm erfahren die Besucher*innen, welche wechselseitigen Einflüsse Berlin und die Welt aufeinander hatten und haben.
Unter der Leitung von Paul Spies, Chef-Kurator des Landes Berlin im Humboldt Forum und Direktor des Stadtmuseums Berlin, erfolgte die Erarbeitung des Konzeptes von Beginn an als partizipativer Prozess. Die Ausstellung BERLIN GLOBAL will ein Ort der Begegnung, Entdeckung und Kommunikation sein, in den die Besucher*innen eigene Erfahrungen, Ideen und Werte einbringen können.
BERLIN GLOBAL entstand In enger Zusammenarbeit mit einem vielköpfigen, wissenschaftlichen Kuratorenteam. Kulturprojekte Berlin war für die Gesamtsteuerung des Projektes, facts and fiction für die Ausstellungsplanung und -gestaltung verantwortlich. Die Ausstellung ist sowohl aus inhaltlicher als auch aus szenografischer Sicht völlig neu in ihrer Art: Im Mittelpunkt stehen keine historischen Objekte, sondern multiperspektivische, interaktive Installationen, die zur Diskussion und Reflexion anregen sollen.
Denn die Stadtgeschichte Berlins wird hier nicht chronologisch erzählt, sondern anhand von Themenräumen. Raumgreifende Installationen und atmosphärische Inszenierungen führen in die neun Themenwelten ein, in denen sich die Vielfalt Berlins widerspiegelt: Weltdenken, Revolution, Freiraum, Grenzen, Vergnügen, Krieg, Mode und Verflechtung. Der Raum „Berlin Bilder“ bildet den Zugang zu den sich anschließenden Themenräumen und ist ein begehbares Inhaltsverzeichnis der Ausstellung. In der Lounge schließlich erhalten die Besucher*innen ihr individuelles Auswertungsergebnis des Rundgangs und sind eingeladen, sich mit eigenen Erfahrungen einzubringen und sich auszutauschen.
„Das Besondere an diesem Projekt war die Zusammenarbeit mit einem sehr diversen Team mit unterschiedlichsten Schwerpunkten und Interessen über einen ungewöhnlich langen Konzeptions- und Produktionszeitraum“, sagt Anke Hückel, Projektleiterin der BERLIN GLOBAL Ausstellung von facts and fiction. „Das hat ein Spektrum und eine Vielfalt innerhalb der Ausstellung ermöglicht, die bei einer ,konventionellen‘ Vorgehensweise so nicht möglich gewesen wäre“.
Heterogenität der Ausstellungsarchitektur als Prinzip
Jeder der Themenräume ist von einem anderen Szenografen von facts and fiction entwickelt worden, hat eine eigene gestalterische Sprache – so divers, vielschichtig und besonders wie Berlin ist denn auch die Atmosphäre jedes einzelnen Raumes.
„Mit dieser Ausstellung ist uns etwas völlig Neues gelungen“, freut sich Jörg Krauthäuser, geschäftsführender Gesellschafter von facts and fiction. „BERLIN GLOBAL vertraut auf die inszenatorische Kraft, die den Besuch zu einem einzigartigen Erlebnis macht. Sie weckt Emotionen und bezieht Besucher*innen durch viele Interaktionsmöglichkeiten in die Geschichte Berlins und ihre Verflechtung mit der Welt ein. Das von uns entwickelte Museums-Assistenzsystem IAMU macht den starken partizipativen Charakter der Ausstellung erst möglich, ohne dass die Technik im Vordergrund steht. Durch BERLIN GLOBAL soll für alle Besucher*innen urbane Vielfalt und Weltoffenheit erlebbar werden.“
Die Themenräume und ihre Exponate: Drei Highlights der Ausstellung
Revolution interaktiv: Das Rad der Geschichte
Geschichte begreifbar machen auf neue, überraschende Weise, die Besucher*innen eintauchen lassen in visuelle und akustische Welten: Das ist ein Grundprinzip der gesamten Ausstellung. An manchen Stellen wird der Rundgang zum gemeinschaftlichen Erlebnis, wie zum Beispiel am „Rad der Geschichte“ im Raum „Revolution“.
Revolutionen werden gemeinsam gemacht – deshalb lässt sich die Medieninstallation in der Mitte des Raumes leichter aktivieren, wenn sich mehrere Besucher*innen um sie verteilen. Sie können dann entscheiden, zu welchem historischen Umbruch sie etwas erfahren wollen: ob über die Märzrevolution 1848, die Novemberrevolution 1918, die Friedliche Revolution 1989, den Aufstand vom 17. Juni 1953 in Ost-Berlin oder die West-Berliner Studierendenproteste 1967/68. Wenn sie die drehbare Scheibe an der entsprechenden Jahreszahl einrasten lassen, beginnt eine Projektion auf die raumhohen elliptischen Wände. In großen Bildern ziehen eindrucksvoll Aufständische vorbei, werden Barrikaden gebaut, während ein*e Erzähler*in die Geschichte der jeweiligen Revolution zusammenfasst. Für die Projektionen wurde das Bildmaterial der jeweiligen Zeit genutzt, zunächst zeitgenössische Bilderbogen und Stiche, später Fotografien, Filme und Fernsehaufnahmen. Die Bilder werden von eingespielten Revolutionsliedern, Sprechchören und Rufen untermalt. Parallel werden auf einem auf den Medientisch projizierten Stadtplan die Orte hervorgehoben, an denen sich die Ereignisse abspielten. Wer den Blick nach oben richtet, sieht Berlin in seinen jeweiligen historischen Grenzen. Die Stadt steht Kopf.
Schwindende Freiräume: Die beweglichen Wände
Berlin bot schon immer Raum für Menschen, die anderswo nicht leben durften, wie sie wollten, oder denen es in der Provinz zu eng war: Der Themenraum „Freiraum“ erzählt von Projekten und Utopien, die in den Nischen der großen Stadt gediehen. Ein Beispiel ist das Institut für Sexualwissenschaften von Magnus Hirschfeld, das in den 1920er-Jahren erstmals die Vielfalt der Geschlechter erforschte, Homo- und Transsexuelle vernetzte und beriet; ein anderes Beispiel sind die selbstverwalteten Jugendzentren Drugstore und Potse in Schöneberg aus den 1970er-Jahren.
Jedes Thema hat einen eigenen Bereich innerhalb des Ausstellungsraums, räumlich getrennt durch Projektionswände, auf denen Filme und Fotos gezeigt werden. In der gedämpften Lichtatmosphäre stehen die Besucher*innen so in wechselnden Stadträumen, die mittels der Projektionen auf den Vorhangflächen entstehen.
Das Besondere ist, dass sich diese Wände bewegen: Langsam fahren sie vor und zurück, und zwar synchron zu den Inhalten der projizierten Filme. Auf diese Weise strukturieren die drei Meter hohen, sich bewegenden Projektionswände den Ausstellungsbereich für ein neuartiges Raumerlebnis: Durch Öffnen und Schließen der Wände entsteht für die Besucher*innen ein Gefühl von Offenheit und Enge. Das Thema - Freiraum und Begrenzung – ist hier für Besucher*innen unmittelbar erlebbar durch die 1:1 Umsetzung des Inhalts in die szenografische Gestaltung.
Wenn die lebendige Szene in den Schöneberger Jugendzentren geschildert wird oder die Befreiung, die die neue Sexualwissenschaft für Menschen bedeutete, fahren die Wände zurück, der umschlossene Bereich wird größer. Wenn hingegen von der Schließung des Jugendzentrums oder der Institutsplünderung durch die Nationalsozialist*innen erzählt wird, kommen die Wände wieder auf die Betrachter*innen zu. Die Freiräume, die sich auftun oder verkleinern, werden auf eindrückliche Weise körperlich erfahrbar.
Verspiegelte Kugeln zum Vergnügen
Die Vergnügungskultur lebt seit jeher vom internationalen Austausch. Auch und gerade in Berlin existiert in Musik und Tanz, Theater und Kino ein Nebeneinander und Miteinander unterschiedlicher kultureller Traditionen.
Jedes Thema eine Kugel: Innerhalb dieses Bereiches treffen die Besucher*innen auf einzelne begehbare Kugelsegmente, die wie Wechselausstellungskabinette Teilaspekte aus der Geschichte der Vergnügungskultur vorstellen. Die verspiegelten Kugelsegmente prägen den mit 500qm größten Raum der Ausstellung. Im zentralen Bereich des Raumes gruppieren sich originale Deckenlampen aus dem Palast der Republik mit ihrer markanten Gitterstruktur. Das Licht der einzelnen Kugelschirme korrespondiert mit den raumgreifenden, begehbaren Spiegelkugeln und wird in ihnen reflektiert. Zusammen mit dem Tageslicht und zusätzlichen Spotlights auf die „Spiegelkugeln“ schaffen sie eine helle Atmosphäre. Die größte dieser Kugelsegmente ist eine gigantische Diskokugel: Die Besucher*innen tanzen mit einem Silent-Disko-Kopfhörer in der vom Boden über die glatten Seitenwände komplett verspiegelten Bereich.
Dieser Raum ist in erster Linie ein Erlebnisraum: Den Raum zu betreten, mit seinem Spiegelbild zu interagieren und sich zwischen den riesigen Kugeln und Reflektionen zu bewegen, ist schon ein Vergnügen an sich.
IAMU: Personalisierter und interaktiver Ausstellungsbesuch
Die Ausstellung bietet einem breiten Publikum Mitmach-Angebote, die den Besuch zu einem Erlebnis machen und dazu einladen, sich eine eigene Meinung zu bilden und aktiv zu werden. Mit Hilfe des von facts and fiction entwickelten Museums-Assistenzsystems „IAMU“ (I am you) können sich Besucher*innen mit einem Chip-Armband zu Beginn ihres Besuchs mit der Ausstellung verbinden und einen interaktiven Rundgang starten. Das System zeichnet über den Token Antworten an mehreren interaktiven Stationen in der Ausstellung auf und ermöglicht so das Einfließen der Meinung der Besucher*innen in die laufende Ausstellung.
Dazu zählen interaktive Formate wie die Station „Mein Netzwerk“, die anzeigt, wie die Besucher*innen mit der Welt verbunden sind. Oder die insgesamt elf Dilemma-Fragen, bei denen die Besucher*innen vor dem Betreten eines neuen Raums zwischen zwei Aussagen zu dem eben erlebten Thema wählen; ihre Entscheidung wird auf dem Chip-Armband gespeichert. Im Raum „Freiraum“ stehen beispielsweise zur Wahl: „Freiraum teile ich.“ oder „Freiraum nehme ich mir.“. Das Dilemma: Beide Alternativen scheinen sinnvoll; die persönliche Bedeutung von Freiraum kommt ins Spiel. Am Ende haben die Besucher*innen die Möglichkeit, ein individuelles Auswertungsergebnis des Rundgangs zu erhalten und sich mit anderen über die Themen der Ausstellung und ihre persönliche Verbindung mit der Welt auszutauschen.
„Als Alexander von Humboldt im Juni 1802 vom Chimborazo aus auf die Anden blickt, beginnt er, die Welt mit anderen Augen zu sehen. Die Erde erschien ihm als ein riesiger Organismus, in dem alles mit allem in Verbindung stand“, erläutert Jörg Krauthäuser. „Mit IAMU haben wir ein System für die Berlin Global Ausstellung entwickelt, das den Vernetzungsgedanken Alexander von Humboldts in die Jetztzeit und damit als für jede*n individuell erlebbares Prinzip transportiert.“
Inklusion: Zugang für alle
In der Ausstellung erhält die Vielfalt der Menschen mit ihren unterschiedlichen Lebensentwürfen und Bedürfnissen eine Bühne und wird deutlich sichtbar als selbstverständlich wahrgenommen. So finden Anwender*innen der Gebärdensprache das Angebot in Deutscher Gebärdensprache unter den mehrsprachigen Inhalten im Visitor Guide vor und können ausgewählte mediale Inhalte gleichwertig zu den Angeboten für Hörende genießen. Die Barrierefreiheit der Ausstellung kommt allen Besucher*innen zugute: Geräumige Durchgänge, barrierearme Vitrinen und eine auch für die Bedürfnisse kleinerer und sitzender Menschen angepasste Sichthöhe von Texten und Ausstellungsstücken sollen eine bequeme Zugänglichkeit sicherstellen. Ein tastbares und kontrastierendes Bodenleitsystem erleichtert Menschen mit und ohne Sehbeeinträchtigungen die Orientierung im Raum, Aufmerksamkeitsfelder weisen nicht nur die Nutzer*innen von Langstöcken auf Interaktionsmöglichkeiten hin. Besonders intensive Erfahrungen bieten die „Ereignisse für Alle“: In jedem Raum gibt es Bereiche, in denen Objekte zum Anfassen, Riechen oder Schmecken zusätzliche Sinne über das Sehen und Hören hinaus ansprechen. Wahrnehmen und Lernen findet damit über vielfältige Zugänge statt. Stockhalterungen und Texte in Brailleschrift und Leichter Sprache machen die Benutzung einfach. Sitzplätze laden an vielen Stellen in der Ausstellung zum Verweilen und Innehalten ein.
Über BERLIN GLOBAL
Die Berlin Ausstellung BERLIN GLOBAL im Humboldt Forum entstand als Koproduktion zwischen Kulturprojekte Berlin und dem Stadtmuseum Berlin. Kulturprojekte Berlin war für die Gesamtsteuerung des Projektes, facts and fiction für die Ausstellungsplanung und -gestaltung verantwortlich.
Akteure im Humboldt Forum sind die Stiftung Preußischer Kulturbesitz mit dem Ethnologischen Museum und dem Museum für Asiatische Kunst der Staatlichen Museen zu Berlin, Kulturprojekte Berlin und Stadtmuseum Berlin, die Humboldt-Universität zu Berlin und federführend die Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss.